Expertentalk mit Günther Albel, Bürgermeister von Villach und Günther Vallant, Bürgermeister von Frantschach-St. Gertraud
Transkript
Hallo und herzlich willkommen zum heutigen Expertentalk. Heute mit zwei Experten, zum einen Villachs Bürgermeister Günther Albel ist hier, er ist der Obmann des Städtebundes in Kärnten und Günther Vallant ist Bürgermeister von Frantschach-St. Gertraud und Präsident des Kärntner Gemeindebundes. Anlass für diese Interviews ist heute das neue Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, das mit Anfang September in Kraft getreten ist. Die beiden Herren waren zentrale Mitverhandler für dieses Gesetz, bevor es in Kraft getreten ist. Bitte sagen Sie uns, was hier die Vorteile für die Eltern bzw. für die Kinder resultierend aus diesem Gesetz ist.
Ja, wenn ich vielleicht beginnen dar, also was sind die Vorteile für die Eltern im Wesentlichen? Dieses Gesetz ist ganz bestimmt, dass sie keine Beiträge mehr zu bezahlen haben für die Betreuung, dass ausschließlich Beiträge für Essen, Bastelbeiträge und für Sonderleistungen zu berücksichtigen sind, die aber auch im Gesetz klar definiert sind, niedergeschrieben sind, inklusive deren Höhe und Maximalbetrag. Das ist eine sehr hohe Planbarkeit, was die Eltern betrifft und das ist ein großer Vorteil, vor allem auch die finanzielle Entlastung für die Eltern.
Ja ich glaube, wenn wir über das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz spricht, dann muss man einmal den Begriff Bildung auch sozialpolitisch herausheben. Also für uns und für mich als Bürgermeister ist der Begriff Bildung ein ganz ein wesentlicher in unserer Gesellschaft. Wir können unseren Kindern einen ganzen Rucksack voller Bildung mitgeben, damit sie auch in Zukunft alles werden können, was sie wollen, diese Selbstbestimmtheit im Leben, damit hat Bildung etwas zu tun. Zum Zweiten bei Bildung geht es um Gerechtigkeit. Jeder soll den gleichen Zugang haben. Und das Dritte ist, Bildung muss leistbar sein. Und wenn man sich bedenkt, dass in Österreich gerade der Kindergarten der einzige Bereich ist, wo Bildung nicht gratis war, dann war es mehr als notwendig, dass man hier etwas tut. Das auch als Adresse an den Bund gerichtet, dass hier österreichweit eine Regelung kommt. Das Vierte, ja, bei Bildung geht es um Gerechtigkeit und geht es darum, dass Maßnahmen getroffen werden müssen, um sie für alle auch auf die gleiche Ebene zu heben. Das war das Erste. Das Zweite war, und das hat der Günther Vallant schon ganz richtig gesagt, es geht darum, dass Bildung leistbar sein muss, das heißt die Eltern müssen sich nicht entscheiden „Geh ich, gebe meine Kinder in Kindergarten oder kann ich mir das gar nicht leisten?“ Die Frage darf man sich gar nicht stellen. Hier haben wir es mit dem Land gemeinsam ermöglicht, dass alle Städte, Gemeinden und das Land in Zukunft den Beitrag für die Eltern übernehmen. Und die Eltern ersparen sich zwischen drei und 4.000 €. Das ist ein großer Anteil eines Budgets, das in Zukunft frei wird für die Eltern, die für die Kinder und für die Familien verwendet werden können. Der zweite Bereich, der ganz wesentlich ist, ist der Bereich, dass die Pädagoginnen und Pädagogen, die es zu wenig am Arbeitsmarkt gibt, dass die auch eine neue Perspektive sehen in diesem Job. Man muss sich vorstellen, 132 Gemeinden, alle, die Kindergärten anbieten, haben gemeinsam mit dem Privaten unterschiedliche Gehälter an die Pädagoginnen und Pädagogen gezahlt. Hier einen Gleichstand zu erreichen und ein Mindestmaß an Fairness für die Pädagoginnen zu erreichen, das war auch ein großer Teil. Und auch den Pädagoginnen und Pädagogen zu sagen, 25 Kinder sind zu viele in einer Gruppe, 20 sollen in Zukunft die maximale Kinderanzahl sein. Auch das etwas, das sozusagen einen Mehrwert für die Ausbildung betrifft. Und das Dritte ist, das Ausbildungs- und Weiterbildungsprogramm für die Pädagoginnen und Pädagogen, wo es hier massive Änderungen gegeben hat, neben vielen anderen Dingen auch. Und abschließend Vereinbarkeit von Beruf und Familie, das ist ganz wichtige sozialpolitische Maßnahme, die erreicht werden soll. Weil derzeit war es so, dass sich die Eltern wirklich überlegen haben müssen, entweder ich habe eine Betreuung für mein Kind oder nicht und ich kann nebenbei arbeiten gehen oder nicht. Oder Eltern haben zum Teil beide arbeiten gehen müssen, damit sie sich den Kindergartenplatz überhaupt leisten können. Das darf nicht sein. Und Vereinbarkeit von Beruf und Familie und das war uns in den Verhandlungen auch ganz, ganz wichtig, dass wir klarstellen, dass es neuneinhalb Stunden am Tag Öffnungszeiten gibt, dass es maximal 25 Schließtage für die Kinder und für die Eltern gibt, die ja auch nicht mehr Urlaub haben. Und dass wir 45 Stunden die Woche Öffnungszeiten haben. Das ist nicht nur für die Eltern gut, nicht nur für die Kinder gut, sondern auch für die Betriebe, die ja händeringend nach Arbeitskräften suchen. Das alles in einem Maßnahmenpaket zusammenzufügen, waren harte Verhandlungen. Aber es waren Verhandlungen, die fair geführt worden sind und am Ende des Tages sind die Gewinner die Eltern, die Kinder und natürlich auch die Betriebe in diesem Land.
Sie sagen harte Verhandlungen, es war während der Gespräche, bis es zum Gesetz gekommen ist, immer von großen Herausforderungen die Rede, die man aus dem Weg räumen muss. Welche waren das konkret? Vielleicht beginnen sie wieder, Herr Vallant?
Die Herausforderungen, die ja zum Teil natürlich auch schon angesprochen worden sind, waren in erster Linie sicherlich einmal das Finanzielle. Wie finanzieren wir diese neuen Aufgaben, die sozusagen jetzt auch mit dem Versorgungsauftrag auf die Gemeinden, auf die Städte zukommen? Und die Gemeinden haben ja schon bisher einen großen Brocken der Elementarpädagogik und der Elementarbildung finanziert. Und diese Bereitschaft tragen wir natürlich auch mit diesem Reformschritt weiter. Und hier haben wir jetzt aber auch von Seiten des Bundes einmal endlich ein Signal erhalten, mitwirken zu wollen. Denn an und für sich sagt man immer, 1/3 Bund, 1/3 Land und 1/3 Gemeinde, das ist alles zusammen in die Schieflage geraten. Und da hoffen wir natürlich jetzt auf den Beitrag des Bundes, der eigentlich noch offen ist. Die Gemeinden und das Land Kärnten sind hier wesentlich in Vorleistung gegangen, was die Finanzierung betrifft, und das war mal einer der wesentlichen Knackpunkte des Reformprozesses. Ein weiterer Knackpunkt hat Bürgermeisterkollege Albel bereits angesprochen. Wir sind ebenfalls in Vorleistung gegangen, was die Arbeitsbedingungen für die Pädagoginnen, die Pädagogen und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft. Hier ein klares Signal zu setzen, „Jawohl“ wir wollen die Qualität verbessern, wir wollen aber auch die Arbeitsbedingungen verbessern in dem, dass die Gruppengrößen gesenkt werden und natürlich dadurch wesentlich mehr Gruppen auch entstehen. Dafür braucht man aber auch das Personal. Wir sind in einer Berechnung einmal davon ausgegangen, dass diese Reduzierung von derzeit 25 auf 20 Kinder pro Gruppe bis zum Jahr 2028 rund 300 Pädagoginnen zusätzlich bedarf. Pensionierungen und natürliche Abgänge sind hier nicht inkludiert. Und dieses Personal suchen wir natürlich auch händeringend am Arbeitsmarkt. Und wir sind mit den Arbeitsbedingungen und mit einer Qualitätsoffensive in Vorleistung gegangen und sind jetzt natürlich noch nicht fertig. Und die Reform ist ein permanenter Prozess. Deshalb haben wir uns auch als Zeitschiene in der Mitte eine Mitteleetappenziel gesetzt, wir wollen uns die Reformschritte genau ansehen. Wie weit sind wir gekommen? Gibt es irgendwo Anpassungsnotwendigkeiten oder gehen die Reformschritte wie geplant bis 2028 weiter? Das Personal wird ebenfalls eine große Herausforderung sein und war natürlich in den Verhandlungen ein wesentlicher Knackpunkt neben dem finanziellen Teil.
Was waren für Sie die größten Herausforderungen, Herr Albel?
Ja ich würde das in drei Punkte gliedern. Das eine ist das Personal, wir haben schon einiges gehört, ich möchte es aber noch ausführen. Dass es nicht nur schwierig ist, Personal zu bekommen, sondern es muss auch an den Grundfesten der Ausbildung müssen Maßnahmen gesetzt werden, um die Quote derer, die die Ausbildung als Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen machen, auch zu erhöhen. Derzeit sind es nur knapp 30 %, die von der BAfEB, von der Bildungsanstalt für pädagogische Ausbildung wirklich in den Beruf gehen. Hier braucht es eine höhere Quote, die sich entschließen, dann nicht studieren zu gehen, sondern in den Kindergarten zu gehen und dort pädagogisch zu betreuen. Und diese Erhöhung der Quoten hat viel mit den mit den Ansätzen zu tun, was ist uns dieser Beruf auch wirklich wert, wie wichtig ist diese Ausbildung? Zusätzlich haben wir auch mit dem Land gemeinsam vereinbart, dass es in Zukunft Kollegs geben wird, wo berufsbegleitend Menschen, die bereits eine Berufsausbildung haben und vielleicht auch in einem Beruf sind, aber neu einsteigen wollen in den Bereich der kinderpädagogischen Ausbildung. Dass diese nicht nur die Möglichkeit haben, sondern auch eine attraktive Ausbildung in Zukunft, also, dass als Zusatz noch. Das zweite ist das Thema, wir haben ja gesagt, von 25 auf 20 die Gruppen in fünf Schritten zu verkleinern, heißt ja auch, dass es in Zukunft mehr Kindergartengruppen brauchen wird. Diese überhaupt finanzieren zu können, das ist etwas, was für die Gemeinden und Städte natürlich ungemein schwierig ist. Beispiel: Wir haben vor vier Jahren eine Gruppe im Kindergarten ein Finanzierungsvolumen von etwa 650.000 € gehabt. Diese Summe hat sich mittlerweile verdoppelt. Pro Gruppe sind mittlerweile über 1 Million € notwendig, um diese überhaupt finanzieren zu können. Das ist Geld, das derzeit bei den Gemeinden und Städten gar nicht da ist und hier eine Unterstützung auch zu bekommen, war ganz wichtiger Punkt. Und hier konnten wir eine Lösung finden, indem wir aus einem Schulbaufonds, Schulen werden ja derzeit schon mitfinanziert vom Land, einen Bildungsbaufonds in Zukunft haben. Das heißt auch Kindergärten, Baumaßnahmen werden mitfinanziert vom Land, das war uns ganz, ganz wichtig. Und noch ein Punkt ist uns wichtig, nämlich, dass auch an der Möglichkeit „Was kann man als Kindergartengruppe überhaupt verwenden?“ hier meiner Meinung nach wesentliche Änderungen passiert sind, sodass auch Leerstände in Zukunft, wenn sie Mindeststandards haben, genutzt werden können. Warum wichtig? Gerade für Gemeinden, gerade für Städte, die im innerstädtischen Bereich Leerstände haben, dass in Zukunft auch Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen bzw. Betreuungen dort aufgebaut werden. Und der dritte Punkt ist natürlich die Finanzierung. Man muss sich vorstellen - und das auch als Kritik an den Bund gerichtet - in Österreich wird alles was Schule ist, als Bildung bezeichnet. Der Kindergarten wird nicht als Bildung bezeichnet und hier endlich dafür zu sorgen, dass man den Menschen auch das Gefühl gibt, dass Bildung eben nicht in der Schule beginnt, sondern Bildung beginnt im Kindergarten. Und dafür hat der Bund ganz einfach aufzukommen. dass hier endlich Maßnahmen gesetzt werden, auch hier hat es ja eine Resolution von Seiten des Gemeinde- und Städtebundes gegeben. Und wir sind derzeit in einer Situation, dass immer mehr Gemeinden in Österreich Abgangsgemeinden werden. Wir können uns das normale Dasein, die Daseinsvorsorge, die wir ja für den Bürger und für die Bürgerin zu machen haben, wir können uns das in vielen Fällen nicht mehr leisten. Und das heißt, dass im Pflegebereich unglaublich hohe Kosten auf uns zukommen und schon da sind im sozialen Bereich, natürlich auch im Kindergarten und im Schulbereich, aber vor allem auch im Krankenhausbereich, das sind alles Punkte, wo man ganz klar sagen muss, dass die Gemeinden, die, die am nähesten am Bürger sind, die Aufgaben gar nicht mehr erfüllen können. Und trotzdem kommen immer mehr Bereiche vom Bund auf Land und Gemeinden über, die wir ganz einfach nicht mehr schaffen können. Und das ist eine Herausforderung, wo wir hoffen, dass in den derzeitigen Budgetverhandlungen mit dem Bund, wenn es um Ertragsanteile geht, eine ganz eine klare Sprache gesprochen wird, nämlich es muss eine Erhöhung für die Länder und für die Gemeinden und Städte geben, wenn es um Ertragsanteile geht.
Danke für diese Einblicke in das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz. Ein Themenwechsel: also Städtebund und Gemeindebund sind wichtige Organisationen in Kärnten, in Österreich. Unsere Zuseherinnen und Zuseher wissen aber nicht unbedingt ganz genau, also nicht alle zumindest, was ihre Aufgabe da ist. Können Sie uns vielleicht kurz sagen, was die Aufgabe des Gemeindebundes ist?
Ich glaube, das Beispiel des Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes zeigt sehr gut, was die Aufgaben des Kärntner Gemeindebundes auch sind, nämlich über die Parteigrenzen hinweg die Interessen unserer Mitglieder, unserer Mitgliedsgemeinden zu vertreten. Und ich darf hier natürlich auch den Dank an den Städtebund ausrichten und vor allem auch an diese Partnerschaft mit dir als Obmann. Denn wir kämpfen Schulter an Schulter, Seite an Seite für die Interessen der Kärntner Gemeinden und der Kärntner Städte. Bei der Gesetzeswerdung, besetzt Gesetzesbegutachtungen, aber nicht nur in fachlicher Hinsicht, und das hat dieses Beispiel gezeigt, über das wir jetzt gesprochen haben, Gesetze auch praxistauglich zu gestalten. Und hier haben wir auch massiv beim Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz gemeinsam mitgewirkt und ist eine unserer wesentlichsten Aufgaben, Gesetze begutachten, die Interessen unserer Gemeinden zu vertreten und praxistaugliche, draußen in den Gemeindestuben umsetzbare Regelwerke zu finden, die unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Gemeinden auch für die Bürgerinnen und Bürger umsetzen können.
Hat der Städtebund ähnliche Aufgaben?
Ich glaube, man muss das das Bild „Warum gibt es denn Gemeindebund und Städtebund?“ in zwei Bereiche teilen. Einerseits gibt es einen Gemeinde- und Städtebund, weil es sehr viele Gemeinden und Städte in Österreich gibt, über 2200 an der Zahl. Und natürlich hat jede Gemeinde, jede Stadt ihre eigenen Interessen und hier eine Vereinheitlichung zusammenzubringen, ist der eine Grund. Der zweite Grund ist, wir haben eine Bundesregierung, eine Landesregierung und wir haben viele Gemeinden, die sozusagen als Verhandlungspartner sind. Wir wollen es natürlich auch, dass unsere Gegenüber es einfacher hat und mit einem, mit einer Stimme sprechen kann. Das ist der zweite Grund, warum es uns gibt. Und was den Städtebund Kärnten betrifft, wir haben also 21 Mitglieder und haben Mitgliedsgemeinden und -städte mit mehr als 60 % der Bevölkerung, die wir zu vertreten haben, und nahezu 75 % aller Arbeitsplätze sind in diesen Mitgliedsgemeinden. Das heißt, es ist ein gewichtiges Wort, das der Städtebund spricht. Aber wir allein können niemals das erreichen, was wir wollen, wenn es nicht auch einen Gemeindebund gibt. Und auf das möchte ich schon auch noch einmal zum Schluss zukommen. Denn alles, was an Herausforderungen vor uns liegt, ist in etwa gleich bei Städten und Gemeinden. Vielleicht ist es beim einen größer, beim anderen kleiner, aber die Interessen sind im Wesentlichen die ähnlichen und hier mit möglichst großen Gewicht für die Bürgerinnen und Bürger zu sprechen, das ist unser Interesse, das haben wir in den letzten Jahrzehnten, glaube ich, ganz gut gemacht. Und man darf eines nicht vergessen, uns gibt es ja nicht nur in Kärnten, sondern uns gibt es in ganz Österreich. Es gibt auch eine österreichische Vertretung, die dementsprechend hart auch bei Verhandlungen beim Bund vorstellig wird, bei Gesetzesvorlagen genauso wie bei anderen Verhandlungen und bei den Forderungen, die wir auch zurecht haben.
Günther Albel, Günther Vallant, ich danke Ihnen fürs Kommen und für diese Einblicke in das Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz bzw. in die Arbeit des Städte- und Gemeindebundes. Ihnen danke ich fürs Zusehen. Ich würde mich freuen, wenn Sie auch das nächste Mal wieder dabei sind.